Menschen mit einer Depression erfahren heute zwar weniger Stigmatisierung, dennoch wird die Krankheit noch allzu oft auf eine bloße Gefühlslage reduziert.
Diese Auffassung vertritt der Leiter der bundesweiten Selbsthilfeinitiative zum Thema, Dennis Riehle (Konstanz), in einer aktuellen Stellungnahme: „Dass es sich um eine schwere psychiatrische Erkrankung handelt, die nicht durch den Betroffenen selbst verschuldet wurde und auch keinen Ausdruck von Schwäche darstellt, hat sich leider noch nicht überall herumgesprochen!“, erläutert der 37-jährige, der selbst seit 19 Jahren an wiederkehrenden depressiven Episoden erkrankt ist und schon mehrere tausend Patienten durch Psychologische Beratung ergänzend begleitet hat. „Neben einer seelischen Komponente spielen vor allem exogene Faktoren wie das psychosoziale Umfeld, Lebenskrisen, Biografie und persönliche Systeme eine Rolle, in der sich der Erkrankte bewegt. Nicht zu vergessen ist die endogene Komponente, denn fast immer liegt eine Störung des Hirnstoffwechsel oder eine hormonelle und metabolische Dysbalance bei den Betroffenen vor“. Daher greife es laut Riehle auch zu kurz, Patienten allein Stressmanagement oder Angstbewältigung zu vertrösten: „Eine Psychotherapie ist bei einer manifesten Depression fast immer angezeigt, ergänzt durch eine etwaige medikamentöse Behandlung – die allerdings auch vorgezogen werden kann, wenn der Betroffene aktuell aufgrund seiner psychischen Situation für Therapie gar nicht ansprechbar ist oder sie zunächst sogar verweigert“, sagt der Sozialberater vom Bodensee.
Neben Verhaltenstherapie können auch psychodynamische Verfahren wie tiefenpsychologisch fundierte Gesprächstherapie oder Psychoanalyse als Verfahren in Betracht kommen, vor allem, wenn es die Ursache für die Erkrankung vorerst nicht offensichtlich oder möglicherweise in Persönlichkeitsstrukturen oder der Vergangenheit zu finden ist: „Oftmals bedarf es einer umfassenden, kritischen Auseinandersetzung mit Glaubenssätzen, eingefahrenen Mustern oder Traumata. Und nicht zuletzt geht es um die Entwicklung von neuen Lebensinhalten und sinnstiftender Aktivitäten, die aus dem Tal der Traurigkeit, Perspektivlosigkeit, innerer Leere, Abstumpfung, fehlender emotionaler Schwingungsfähigkeit, sozialem Rückzug, Lustlosigkeit und mangelndem Antrieb oder einer Überforderung und Erschöpfung herausführen können. Dafür braucht es neue Achtsamkeit im Umgang mit sich selbst, Anpassung an veränderte Grenzen und einen Aufbau von Resilienz und Bewusstsein für die eigenen Stärken“, erklärt der Coach. Angehörigen rät Riehle, einerseits auf etwaige Veränderungen im Verhalten des Betroffenen zu achten, andererseits aber auch auf Symptome, die man nicht zwangsläufig mit einer Depression in Verbindung bringt: „Neben Rückzug und Deprimiertheit, Selbstzweifeln, fehlendem Interesse an Hobby oder Beruf, Gereiztheit, Nervosität, Übereifer, Ermüdung oder Furchtsamkeit können auch Schmerzen, motorische Verlangsamung oder Probleme im Magen-Darm-Bereich, Herzrasen, Schwitzen, Fahrigkeit, Denkstörungen oder Unruhe Hinweise auf eine Depression sein“, sagt Riehle.
Die Psychosoziale Beratung der Selbsthilfeinitiative ist kostenlos unter www.selbsthilfe-riehle.de erreichbar.
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